Gestern hat ein aufsehenerregender Prozess am Landgericht Essen stattgefunden. Ein Schalker Aufsichtsrat klagte gegen seine Suspendierung durch den Ehrenrat. Danach gab es einige Presseberichte u.a. in der Welt (Link zum Artikel). User „Pogue Mahone“ war vor Ort und er hat einen Leserbrief auf den Welt-Artikel verfasst.
Sehr geehrter Herr Müller,
bevor ich zum Inhaltlichen Ihres Artikels komme, gestatten Sie mir bitte zwei Anmerkungen:
1) Sie sprechen von einer „bemitleidenswerten Richterin“, die sich am Landgericht Essen mit der Klage des Herrn Hefer beschäftigen „muss“. Wissen Sie, welchen Richter ich für wirklich bemitleidenswert halte? Das ist der Richter im NSU-Prozess, der immer wieder vom Verfassungsschutz nicht die ganze Wahrheit erfährt und von dem wichtige Beweismittel geschreddert worden sind. Der ist bemitleidenswert, aber sicher nicht eine Richterin, die sich 1,5 Stunden mit dieser Sache befasst und auch noch am gleichen Tag ein Urteil fällen darf. Mit Ihrer Formulierung verlassen Sie den Boden des anständigen Journalismus.
2) Sie schreiben hier über eine Gerichtsverhandlung als seien Sie dabei gewesen. Waren Sie aber gar nicht. Ich habe dazu vier Augenzeugen, die gestern im (überschaubaren) Gerichtssaal am Landgericht Essen im Saal 102 live dabei waren. Die Augenzeugen haben dort auch einige bekannte Gesichter gesehen, Ihres war nicht dabei. Das wirft Fragen auf.
Nun zum Inhaltlichen:
Lassen wir den höchst tendenziös formulierten Teil Ihres Berichts mal beiseite, um was geht es im Kern?
Der Aufsichtsrat Axel Hefer hinterfragte Teile der Geschäftsordnung des Aufsichtsrats. Hier ging es laut gestriger Darstellung darum, dass im sog. Eilausschuss des Aufsichtsrats (in den vergangenen Jahren besetzt durch Clemens Tönnies und Uwe Kemmer) sehr wichtige und wirtschaftlich für den Verein hochrelevante Entscheidungen (zum Beispiel alle Spielertransfers) gefällt werden. Diese Entscheidungen wurden nach Ansicht von Herrn Hefer bzgl. ihrer Satzungskonformität in Zweifel gezogen, er sah die Kontrollfähigkeit des gesamten Aufsichtsrats-Gremiums nicht mehr gegeben. Dies wurde von ihm auch im Aufsichtsrat angesprochen, seine Bedenken wurden aber abgewiegelt.
Da Herr Hefer hier wohl ein besonderes Haftungsrisiko sah, hat er einen Rechtsanwalt konsultiert, der ein Gutachten anfertigte. Dieses Gutachten bestätigte die Zweifel von Herrn Hefer. Die bisherige Praxis der Beschlüsse durch den Eilausschuss sind dem Gutachten nach nicht
satzungsgemäß.Der Ehrenrat wirft ihm nun vor, „Interna ausgeplaudert“ zu haben, allein die Formulierung ist aber schon irreführend. Er hat vielmehr seine Zweifel an der Satzungsmäßigkeit gegenüber einem zur
Verschwiegenheit verpflichteten Rechtsanwalt dargestellt – und wohlgemerkt nicht der Presse zugespielt.Laut Herrn Hefer wurden von ihm sowohl der Vorstand Peter Peters als auch der stellvertretende Aufsichtsrats-Vorsitzende, Dr. Jens Buchta, über die Inhalte des Gutachtens informiert, diese reagierten jedoch nicht. Erst daraufhin wurden von Herrn Hefer auch die übrigen Aufsichtsrats-Mitglieder mit diesem Gutachten konfrontiert. Bei den Sitzungen des Aufsichtsrates ist ein Mitglied des Ehrenrates anwesend. Wie man nun aus diesem Vorgehen ein mit Suspendierung zu ahndendes Fehlverhalten konstruieren kann, ist mir schleierhaft. Aus dem Verlesen der SMS von Herrn Tönnies an Herrn Hefer wurde allerdings erstaunlicherweise deutlich, dass dieser bereits das Strafmaß kannte, während der Ehrenrat Herrn Hefer auf Rückfrage mitteilte, noch keine Entscheidung getroffen zu haben. Kurios.
Es ist offensichtlich, dass der Autor des Artikels den Rest der Vorwürfe an Herrn Hefer, die auf mehrfaches Nachfragen der Richterin noch übrig blieben, nicht vollständig verstanden hat und lediglich die ursprüngliche Argumentation des Vereinanwaltes übernimmt. Dieser musste allerdings kleinlaut zugeben, dass weder das Hinzuziehen eines Anwaltes noch das Anfertigen eines Rechtsgutachten „für private Zwecke“ zu bemängeln wären, erst das Übersenden dieses Gutachtens an die anderen Mitglieder des Aufsichtsrates würde diese nur „verwirren“ (sic!) und stelle einen Geheimnisverrat an sich dar. Ich möchte hier jedem überlassen, sich aus diesem Verständnis von verantwortungsvoller Gremienarbeit in einem mittelständischen Unternehmen mit
entsprechenden Haftungsrisiken für den Aufsichtsrat ein Bild zu machen.Und die „bemitleidenswerte“ Richterin hat nun entschieden. Im Namen des Volkes. Das Aufsichtsratsmitglied Axel Hefer darf sein Amt weiterhin ausüben. Die vom Schalker Ehrenrat ausgesprochene dreimonatige Suspendierung wird ausgesetzt bis rechtskräftig in der Hauptsache entschieden worden ist. Alle anderen Anträge wurden zurückgewiesen.
Herr Müller, für die Zukunft noch ein paar Ratschläge: Seien Sie objektiver. Recherchieren Sie ordentlich. Und seien Sie doch einfach mal vor Ort, wenn Sie über einen Prozess berichten. Das ist ja peinlich so und eines Journalisten unwürdig.