Die versprochenen Verstärkungen ließen auf sich warten, der Meineid-Prozess jedoch nicht. Am 30. September 1975 wurden 15 Verhandlungstage angesetzt, und eines war klar: Würden die Schalker Angeklagten vor dem Essener Landgericht verurteilt, so stünden ihnen Strafen von sechs Monaten bis fünf Jahren (Meineid) oder von drei Monaten bis fünf Jahren, in schweren Fällen nicht unter einem Jahr (uneidliche Falschaussage) ins Haus. Das wäre natürlich das Aus aller Meisterschaftsträume. Der Prozess war eröffnet. Wäre die Schalker Abwehr auf dem grünen Rasen nur halb so gut wie ihre Verteidiger im schwarzen Ornat, den Gegnern dürfte in jener Spielzeit kein einziges Tor gelungen sein. Denn während die Verteidigung mit allen Tricks arbeitete, gelangen Gericht und Staatsanwaltschaft nur zwei Eigentore, von denen das zweite sogar zum Abbruch führte. Die Verteidigung lehnte gleich zwei Richter wegen Befangenheit ab, wobei der zweite abgelehnte Richter einen neuen Termin ansetzte; eben dies ist allerdings nach herrschender Rechtsordnung nicht erlaubt.
„Endlich ist die Zeit des grausamen Wartens vorbei“, sagte Jürgen Sobieray, der nach 14-monatiger Sperre gegen Rotterdam im Eröffnungsspiel des neuen Gelsenkirchener Parkstadions wieder zum Einsatz kam. „Seit meiner Sperre erlitt ich einen hohen finanziellen Verlust und musste morgens ab sechs Uhr das tägliche Brot auf dem Bau verdienen.“ Auf dem Bau musste sich „Sobi“ mit seinem Vereinskameraden Klaus Fischer Hohn und Spott gefallen lassen: „Jetzt siehst du mal, wie schwer man im Alltag des Lebens sein Geld verdienen muss.“ Diesen Beitrag weiterlesen »
Während der Intertoto-Runde 1973 geschah das, was – insbesondere einer Frau in den 70er Jahren – niemals hätte passieren dürfen: Moderatorin Carmen Thomas versprach sich im Aktuellen Sportstudio und sagte „Schalke 05“. Alle Vorurteile schienen bestätigt – und noch heute hält sich hartnäckig das Gerücht, dass Carmen Thomas wegen „Schalke 05“ den Moderatorenplatz räumen musste.
Über die Folgen dieses kleinen Lapsus erzählt Carmen Thomas in unserem Interview:
SIEHSSE, HÖRSSE, MEINSSE – Das SCHALKE UNSER-Interview –
„Schalke 04 ist eine heilige Kuh“
Ein einfacher Versprecher hat ihr Leben verändert. „Schalke 05“ – ein simpler Verdreher – und nichts blieb mehr so wie es war. SCHALKE UNSER sprach mit der Geschäftsführerin der 1. ModerationsAkademie für Medien und Wirtschaft Carmen Thomas über die unterschiedlichsten Folgen dieses ‚unmöglichen’ Versprechers für sie als Journalistin, als Coach und Bestseller-Autorin, über die Macht der Bild-Zeitung und das Benutzen und Gurgeln von Eigenurin.
Fast zwei Jahre nach dem ominösen Spiel gegen Bielefeld ging es den Schalker Spielern und Verantwortlichen richtig an den Kragen: Im Rahmen ihrer Ermittlungen leitete die Bielefelder Staatsanwaltschaft 18 Verfahren gegen Funktionäre und Aktive des Vereins wegen Meineides ein. Paragraph 154 des Strafgesetzbuches sieht für dieses Delikt „Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr“ vor. Sensationelle Enthüllungen machten die Staatsanwälte Kny und Dieckmann in Bielefeld: Danach hätten Schalker Spieler zwischen 130.000 und 150.000 Mark Schweigegeld an den ehemaligen Arminen-Spieler Waldemar Slomiany gezahlt. Dazu Dieckman: „Wir wissen inzwischen, dass es am 9. April 1972 zu einem Treffen der Schalker Spieler kam, erst am Parkplatz am Schloss Berge, dann in der Wohnung eines Spielers. Auf dieser Zusammenkunft legten die Spieler ihre weitere Marschroute fest. Man kam überein, dass jeder 15.000 Mark Schweigegeld an Slomiany zahlen sollte, damit dieser seine Behauptung aufrecht erhielt, er habe die 40.000 Mark selbst behalten. Nicht alle Spieler zahlten wie verabredet, und einige zahlten nicht in voller Höhe. Andere, die das Geld nicht in bar zur Verfügung hatten, haben deshalb Kredite aufgenommen.“
Im ersten Bundesligaspiel der Saison schlug Schalke Hannover 96 mit 3:1. Doch noch vor dem zweiten Spieltag nahm das Sportgericht Klaus Fischer und Stan Libuda in eine Vorsperre. Richtig verwundert hat das niemanden mehr. Aber die Frage war: Musste man mit der Sperre bis unmittelbar vor dem Spiel gegen Kaiserslautern (das Schalke mit 0:2 verlor) warten? Präsident Siebert war nicht mehr zu halten: „Wenn das so weiter geht, gibt Schalke die Lizenz zurück.“ Ein einziger Satz nur brach Schalkes Mittelstürmer Klaus Fischer das Genick: „Da kann er ruhig hinschießen.“ Gemeint waren damit zwei Schüsse von Aki Lütkebohmert gegen den Pfosten beim besagten Spiel gegen Bielefeld. Gehört haben will diese Worte der Arminen-Spieler Volker Klein, als beide den Strafraum verließen. Klein bestätigte diese Worte noch einmal ausdrücklich vor dem DFB-Gericht in Frankfurt. Da wäre er zunächst ganz verblüfft gewesen, erzählte Klein weiter. „Hatten Sie den Eindruck, dass Fischer zu sich selbst oder bewusst zu Ihnen gesprochen hat?“, wurde Klein weiter gefragt. „Das kann ich nicht sagen.“ Jedenfalls war Volker Klein der Meinung, dass Schalke damals stark begonnen und dann nachgelassen habe.
Während der Vorbereitung auf die neue Saison fand die Verhandlung gegen Sobieray, Pohlschmidt, Galbierz und Pirkner (er hatte als einziger der Beschuldigten keinen Eid geleistet) statt. Als Hans Kindermann zu seinem Plädoyer ansetzte, rutschte Co-Trainer Friedel Rausch immer tiefer in seinen Sessel. Gleichmäßige Atemzüge bekundeten kurz darauf, dass er eingenickt war. Sein Gähnen sprach auch für die Skandal-Müdigkeit, die noch nie so bewusst spürbar in den Räumen des DFB-Hauses hing.
„Unter Fußballspielern ist es üblich, dass sie mehr Geld haben als Normalbürger. So kam es mir nicht komisch vor, als ich nach dem Spiel gegen Bielefeld in der Kabine Spieler mit zwei Tausendmarkscheinen sah.“ Dieter Burdenskis Aussage als Hauptbelastungszeuge im Prozess gegen die vier Spieler musste dem unbedarften Beobachter zu denken geben. Burdenski hatte Geld in der Kabine gesehen und auch selbst erhalten – unter mysteriösen Umständen, wie er zu erklären wusste. Denn noch in der Kabine sei Manfred Pohlschmidt zu ihm gekommen und habe ihm den Treffpunkt des Parkplatzes vor dem Löwenpark Westerholt genannt. Um 21 Uhr des 17. April sei er dort eingetroffen, und habe, ohne aus seinem Wagen auszusteigen, von Pohlschmidt 2.000 Mark erhalten. Dabei habe er die anderen drei angeklagten Spieler in der Nähe des anderen Wagens erkannt.