Ernüchterung macht sich breit. Die Gladbacher Nasskälte steht sinnbildlich für das Gemüt der mitgereisten Schalker. Der Anhang ist zum Teil niedergeschlagen, manch einer fordert den Kopf von Jens Keller, wieder andere schimpfen auf die Mannschaft. Ich für meinen Teil bekomme es seit Jahren gar nicht mehr hin, das zu rufen, was ich eigentlich sagen will.
Die sportliche Leistung muss man leider aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Entweder hinter dem Gesichtspunkt der reinen Spielleistung, welche unübersehbar kampfbetont war. Bei Max Meyer mehr, bei Neustädter weniger, Draxler ging einfach mit der Mannschaft unter, aber die Person Ralf Fährmann bot uns immerhin einen Lichtblick. Insgesamt eine Leistung, mit der man sich nach einem ruhigen Bierchen Wohl oder Übel hätte abfinden können. Oder aber man misst die Mannschaft an allem, was dazu gehört. Allem voran dem 80-Millionen-Etat, dem Zweithöchsten der Liga. Ich für meinen Teil urteile aus letzterem Blickwinkel und dafür waren insbesondere die letzten Wochen schlicht und einfach beschämend.
Sind wir mal ehrlich: Jens Keller hatte von Anfang an eine instabile Position auf Schalke. Daran ändern seine großartig offensiven Obasi-Einwechslungen zur potentiellen Schnelligkeitserhöhung in den Schlussphasen gegen Bukarest oder Hoffenheim sicherlich genauso wenig, wie seine unsägliche Interviewführung oder sein konstant unglückliches Aufstellungs-Händchen, aktuell deutlich werdend bei der Wahl der einzigen, blassen Spitze mit Namen Kevin Prince, dem der späte Ausgleich ärgerlicherweise vergönnt blieb.
„Keller raus!“ – schallte es zeitweise nicht sonderlich laut, aber dennoch gut hörbar von den Gäste-Rängen. Ja, und dann? Machen wir uns nichts vor, wir stehen in weniger als zwei Jahren wieder in derselben Kälte im Gästeblock und meckern über die Situation. Ich stelle mich hiermit mitnichten hinter Jens Keller, aber dieser Trainerverschleiß kann nicht mehr zielführend sein. In der momentanen Situation würden wir jeden verheizen, ob er nun Basler, Büskens oder Schaaf heißt. Gerade in den letzten Wochen wurde die Strategie der Vereinsführung doch an allen Ecken deutlich: Lieber vier Zweittorhüter, als einen echten Keeper holen. Lieber einen Trainer holen, den man abschießen kann, bevor es an den eigenen Kopf geht.
Meckert man über Transfers, wie Barnetta, Marica, Obasi oder Santana, so geht die Kritik bei Horst Heldt natürlich an die richtigen Adresse. Eine rhetorische Frage soll mir aber erlaubt sein: Wer feierte sich auf der Jahreshauptversammlung für seinen neuesten „Vorstand-Sport-Coup“? Der Kluge lernt aus den Fehlern anderer, der Dumme nur aus den Eigenen. Wie blöd ist dann eigentlich Clemens Tönnies, der Jahr für Jahr in die selbe Scheiße tritt? Magath pries er zuerst als seine personalisierte und prinzipiell schon pre-realisierte Meisterschale an, bevor er seinen Geniestreich zum Wohle aller Fans feuerte. Den Magath, den wollte er ja nie. Zuletzt verkaufte er uns Schlangenzunge Jobst als neuestes Familienmitglied. Und was daraus wurde, ist wohl jedem hinlänglich bekannt. Man darf sich nicht öffentlich als Boss verkaufen, wenn man nur sich im Glanze der schönen Seite der Medaille sonnen will, in schlechten Zeiten sich aber stets jeglicher Verantwortung entziehen möchte.
Aber das Schalker Verantwortlichkeitsroulette dreht sich ja fleißig weiter: Bei Peter-Alexander denkt so manch einer vielleicht an den Badewannentango oder die Mondscheinmelodie. Auf Schalke klingt das eher nach einem Fehlbesetzungsduett in einer ganzjährlichen Quacksalber-Sinfonie. Mit dieser Führungsriege wird sich in den nächsten Jahren weiterhin nichts ändern! Der Verein tritt auf der Stelle, die Verbindlichkeiten im Nacken, den Schuldentod auf Raten steht immer in der Nähe und alle rennen geradewegs mit dem Kopf vor das neue „Tor auf Schalke“, was sowieso keiner braucht. Jeder Herrscher setzt sich sein eigenes Denkmal, aber jede Statue fällt irgendwann. Und das ist es, was Schalke wirklich braucht. Keinen alleinigen Trainerwechsel, keinen alleinigen Vorstand-Sport-Wechsel. Eine Veränderung der Strukturen und Personen. Nicht mehr und nicht weniger.