Vorweg: Ich bin eine dem Teenageralter schon etwas länger entwachsene Akademikerin, habe einen verantwortungsvollen Job, spreche in ganzen Sätzen, kann mit Messer und Gabel essen und schubse weder Rentner noch kleine Kinder. Anders ausgedrückt: Ich sehe durchaus aus wie ein anerkanntes Mitglied unserer Gesellschaft und werde normalerweise auch so behandelt.

Leider bekommt das „normalerweise“ ziemlich regelmäßig eine Delle, meistens samstags. Denn ich bin nebenbei auch noch bekennender Fußballfan, der gerne die königsblauen Farben spazieren trägt. Und ein Fußballtrikot abseits des Platzes erzielt leider bei nicht wenigen geBILDeten Leuten ungefähr den Effekt der Beißmaske von Hannibal Lecter.

Zwei Beispiele vom Wochenende gefällig? Als Krefelderin habe ich natürlich die günstige Gelegenheit genutzt, die U 23 des FC Schalke 04 beim Gastspiel zum Auftakt der Regionalliga beim KFC Uerdingen in der Grotenburg zu unterstützen. Das Spiel mutierte aufgrund eines sintflutartigen Wolkenbruchs in der zweiten Halbzeit zu einer Wasserballschlacht, bei der alle Beteiligten mit dem 1:1 prima leben konnten; es gab weder Stress noch irgendwelche Anzeichen für Gewalttätigkeiten. Dies hielt die Polizei aber nicht davon ab, nach Spielschluss die Violstraße hermetisch abzuriegeln und allen Trikot- und Schalträgern den Durchgang zu verweigern, während neutral gekleidete Anwohner passieren durften. Und es stauten sich auf beiden Seiten stinknormale Leute  und Familien und nicht gerade die Schlägerelite… Besonders unrühmlich tat sich dabei mit martialischer „Ich Chef Du nix“-Miene eine blonde Polizeibeamtin hervor, die uns anpampte, sie sei Beamtin des Landes Nordrhein-Westfalen und wenn sie etwas sage, „habt Ihr das gefälligst zu befolgen!“ Bin ich als Fußballfan ein Mensch zweiter Klasse, der potentiell gefährlicher, krimineller und mit weniger Bürgerrechten (ich lasse mich ungern von unsouveränen und machtgeilen Menschen duzen, auch wenn sie Uniform tragen) ausgestattet ist als Max Mustermann….?!

Nachdem die schrecklichen wilden Horden aus Gelsenkirchen in die Busse zum Uerdinger Bahnhof verfrachtet worden waren, wurde der Durchgang wieder freigegeben und ich wollte die Gelegenheit nutzen, in einem nahegelegenen Lebensmittelmarkt noch ein paar Kleinigkeiten einzukaufen. Einem Lebensmittelmarkt übrigens, in dem ich seit Jahren immer wieder Kundin bin. Doch anders als sonst trafen mich dieses Mal schon beim Reingehen misstrauische Blicke und ein Lakai, der gerade noch das Gemüse gerade gerückt hatte, heftete sich auffällig-unauffällig an meine Fersen. Der Hinweis, dass ich durchaus alleine zurechtkäme, führte nur zu einem tumben Blick. Als die Groschen endlich gefallen waren, stand ich schon mit meiner höchst kriminellen Ausbeute Vanilleeis, Vollkornbrot und Deoroller an der Kasse. Zum letzten Mal übrigens, denn in so einem vorurteilsbeladenen Schuppen wird man mich nicht wieder sehen.

Man könnte die Aufzählung beliebig fortsetzen und von Tankwarten berichten, die fieberhaft unter dem Tresen nach etwas zur Selbstverteidigung zu kramen beginnen, wenn ein müder Auswärtsfahrer im Trikot in den Verkaufsraum schlufft. Oder den kleinen Schikanen wie die Frage „können Sie das denn auch bezahlen?“ und dem Verlangen des Personalausweises bei EC-Cash, wenn man im Trikot eine „gutbürgerliche“ Gaststätte entert. Plötzlichen „Personenkontrollen“ in öffentlichen Verkehrsmitteln. Und Fußballfans, die auch noch in das Raster „männlich, jung, Testosteron“ passen, könnten den Geschichten noch ein paar unrühmliche Bände hinzufügen.

Alle diese Vorfälle sind Ausfluss einer bereits seit Jahren laufenden Imagekampagne mieser Boulevardmedien und des „Taliban in grün“ Rainer Wendt von der Deutschen Polizeigewerkschaft gegen Fußballfans, bei denen durch gezieltes Aufbauschen negativer Vorfälle der Eindruck erweckt werden soll, alle Fußballfans seien zündel- und gewaltbereite Problembären, die nur mit immer schärferen Sicherheitssanktionen und Einschränkungen daran gehindert werden können, Deutschland in Schutt und Asche zu legen. Die Verhältnisse werden dabei so verzerrt dargestellt, dass kein „Unbeteiligter“ realisiert, dass deutsche Stadien sicherer sind als je zuvor (und sicherer als beispielsweise ein Besuch beim Münchner Oktoberfest oder eine nächtliche Fahrt mit der Berliner U-Bahn). Ja, es gibt schwarze Schafe unter den Fußballfans – aber eben nicht mehr als unter Festival- oder Kirmesbesuchern oder Polizisten! Gemessen an den Millionen Besuchern der boomenden Bundesliga sind die tatsächlich Gewalttätigen eine verschwindend kleine Minderheit – und deshalb sollen ALLE unter generalverdacht gestellt werden?!

Ich wünsche mir, dass die Millionen friedlicher und verrückter Fußballfans, die ihr Team unterstützen wollen, ohne dabei scheel angeguckt zu werden, noch deutlicher als bisher Flagge zeigen gegen die zunehmende Kriminalisierung unserer gesamten Gruppe. Fußballfans sind keine Verbrecher!!! Wenn Millionen enthemmt feiernde Deutschlandfans ein traumhaftes Sommermärchen sind, gibt es keinen Grund, dass dieselbe Anzahl Schalker, Dortmunder, Bayern, Lauterer, Fortunen etc. ein gesellschaftliches Problem darstellen sollen. Fußballfans sind verdammtnochmal besser als Ihr Ruf, auch wenn Wendt & Co das Gegenteil suggerieren wollen. Vielleicht schaffen wir es ja, das verzerrte Bild wieder etwas gerader zu rücken, um nicht irgendwann in totaler Überwachung und englischen „No colors!“-Verhältnissen zu landen.

Hinweis
Aufgrund der positiven Resonanz noch einmal der Hinweis, dass jeder Schalker die Möglichkeit hat Texte an folgende E-Mail Adresse zu senden: info@schalkermarkt.de