“Schalke hat noch drei Tage vor der Mitgliederversammlung den Vertrag um weitere Karten erweitert”, sagt Viagogo in einem WDR-Bericht. “Entgegen einer vorherigen einvernehmlichen Übereinkunft hat Viagogo den FC Schalke 04 kurz vor Vertragsbeginn massiv unter Druck gesetzt und mehr Ticketkontingente für Spiele eingefordert. Zu keinem Zeitpunkt hat der Verein dies selber von sich aus angeboten!”, sagt der Verein (und verschweigt, ob er unterschrieben hat – es scheint so zu sein). Wem soll man jetzt glauben – oder besser, wem will man glauben?

Wem soll man in diesem Spiel trauen? Der Ticketheuschrecke, die Fans scharenweise um ihr Geld erleichtert, oder dem Verein, der das auch versucht hat und lange genug willfähriger Komplize gewesen ist? Klar ist: Beide haben klare Interessen, werden sie sich doch als streitende Parteien vor Gericht wiedersehen. Im WDR hieß es, keine der beiden Parteien habe bisher Klage eingereicht – der S04 hat das bestätigt, indem er das heute morgen dann doch getan hat.

Als Schalker möchte man doch lieber seinem Verein glauben, doch der Vorstand macht es einem nicht leicht. Die juristischen Tricks, mit denen man vor und während der Jahreshauptversammlung satzungskonforme Anträge auszuhebeln suchte, der Einsatz der Polizei gegen Vereinsmitglieder, die ihr satzungsgemäßen Recht wahrnehmen wollten, eine außerordentliche Mitgliederversammlung einzuberufen – vertrauensbildende Maßnahmen in der Sache “Viagogo” sehen anders aus.

Und dann der Rückzieher in Sachen Polizeigewalt. Das ging sogar so weit, dass die protestierenden 2000 Fans nicht einmal die Protestschilder mit ins Stadion nehmen durften. “Brandgefahr” hieß es, was für alle Zukunft Papptafelchoreografien ausschließen wird. Man ist geneigt zu vermuten, dass nicht mehr nur der Verein sich selbst einen Maulkorb in Sachen “berechtigte Kritik an ungerechtfertigen Polizeieinsätzen” verpasst hat, sondern ihn gleich auch in der Kurve verteilen will.

Mittlerweile hat der Verein reagiert und betont, dass es sich ausschließlich um das Problem der Brandgefahr gehandelt habe: “Choreographien sind vorher angemeldet, mit Polizei und Feuerwehr abgesprochen und die Brandlasten werden geprüft. Das war hier bei der Demonstration nicht der Fall. Der genehmigte Betrieb der Veltins-Arena ist und bleibt unser höchstes Gut – und dazu gehört wesentlich auch der Brandschutz. Daher ist die Ausgangslage hier eine ganz andere.” (Das Interview im Wortlaut.)

Es ist schade, dass die Ordner sich außerstande sahen, das zu kommunizieren – so musste es den anwesenden Demonstranten suspekt vorkommen. Schließlich betont auch der Verein: “Information und Absprache sind keine Einbahnstraße!”

Es bestehe “keinerlei” Zusammenhang mit der Vereinbarung mit dem Innenministerium, betont der Verein. “Der Vorstand hat dort  explizit erklärt, dass er die inhaltlichen Punkte seiner Kritik NICHT zurücknimmt, sondern aufrecht erhält – lediglich die Art und Weise, in der sie geäußert wurde, ist verbesserungsfähig.”

Es ist schwer, es zu erklären, dass die Fahne “Sitzer absetzen” nach Bekunden der Ultras Gelsenkirchen zu “Repressionen” geführt habe. Der Verein dazu: “Repressionen gab es keine, wenn überhaupt  nur eine veränderte Handhabung von Sonderrechten wegen nicht eingehaltener Absprachen. Das finden wir übrigens sehr schade.” Noch läuft unsere Rückfrage, um welche Absprachen es sich gehandelt habe – wir halten Euch auch hier auf dem Laufenden.

Eine bessere Kommunikation hätte geholfen, diese Missverständnisse – so sie welche sind – zu vermeiden, und somit bleibt es wohl dabei: Dass hier die, die ohne hinreichende gesetzliche Grundlage Schlagstock und Pfefferspray zu spüren bekommen haben, sich von der Vereinsspitze verraten fühlen müssen, ist nicht nur ein Problem der Ultras Gelsenkirchen: Die haben in der Kurve nicht alleine gestanden, und noch am Samstag standen 2000 geschlossen hinter ihnen. Und nicht nur hinter ihnen, auch hinter Supporters Club und Schalker Fan-Initiative als Mitorganisatoren der Demonstration für Gerechtigkeit und gegen Polizeiwillkür. Ihnen, uns und den 2000 Demonstranten hat der Verein am Samstagabend scheinbar das Vertrauen entzogen – das Vertrauen, das wir jetzt am Dienstagmittag in seine Mitteilung haben sollen. Das fällt schwer, wenn man nicht alle Informationen bekommt, sondern nur die, die der Verein veröffentlicht.

Hinweis
Aufgrund der positiven Resonanz noch einmal der Hinweis, dass jeder Schalker die Möglichkeit hat Texte an folgende E-Mail Adresse zu senden: info@schalkermarkt.de