Der DFB verkauft den Videoschiedsrichter als Erfolg. Schließlich sprächen die Zahlen dafür. Unter Fans gibt es da aber auch eine andere Meinung – und ein genauerer Blick auf eben diese Zahlen gibt ihnen dabei Recht.
Für den DFB ist der Fall klar: Der Videobeweis macht den Fußball gerechter und er funktioniert dem Grunde nach. Er habe die Entscheidungen um 80 Prozent verbessert.
Auf den ersten Blick scheint eine Studie der Universität Leuven die Freude zu bestätigen. Dort wurden die Eingriffe des Videoschiedsrichters in 804 Partien in aller Welt untersucht. Ob ein Elfmeter gegeben werden muss oder nicht, haben die Video-Assis 1319 mal geprüft, 72 Mal wurde er daraufhin gegeben, 39 Mal zurückgenommen – eine Verbesserung um acht Prozent. Die Video-Assis haben gefallene oder vermeintliche Tore 929 Mal unter die Zeitlupe genommen, davon 13 gegeben und 53 zurückgenommen – sieben Prozent Verbesserung. Und von den 1669 ins Auge genommenen roten Karten wurden 57 erst nach Videobeweis gegeben und ganze drei zurückgenommen – etwa 3,6 Prozent besser.
Kommerz im Fußball: Ohne ihn geht es nicht, aber wenn der Kommerz ausufert, macht es auch keinen Spaß mehr. Der frisch gegründete „FC PlayFair! e.V.“ widmet sich dieser Thematik. Der Verein versucht, Aufmerksamkeit für die Interessen von Fußballfans zu bekommen und Fans, Vereine, Funktionäre und Verbände an einen Tisch zu bringen. SCHALKE UNSER sprach mit Claus Vogt, dem Initiator von „FC PlayFair! e.V.“, über irre Transfersummen, das Image des DFB sowie Fan-Vertreter im Aufsichtsrat.
SCHALKE UNSER: Der „FC PlayFair!“ hat eine Umfrage unter mehr als 17.000 Fußballfans initiiert, um auf möglichst breiter Basis Probleme zu identifizieren und gleichzeitig auch mögliche Lösungsansätze aufzuzeigen. Wie kam es dazu?
CLAUS VOGT: Wenn man sich so umhört, dann bekommt man das diffuse Gefühl, dass viele Fußballfans ein Problem mit der derzeitigen Entwicklung des Fußballs haben. Wir wollten dieses Gefühl in Zahlen fassen und haben uns für eine Studie entschieden. Daraus wurde dann – auch mit Hilfe des Kicker-Sportmagazins – die größte wissenschaftliche Untersuchung zu diesem Thema, die jemals im deutschen Profifußball durchgeführt wurde.
Der Ehrenrat, das vereinsinterne Schiedsgericht des FC Schalke 04, hat vor Gericht die nächste Niederlage einstecken müssen. Schon wieder hat das Landgericht Essen die unrechtmäßige Suspendierung eines Mitglieds des Aufsichtsrats durch den Ehrenrat einkassiert.
Was war geschehen?
Wir erinnern uns noch an die letztjährige Schalker Mitgliederversammlung: Im Vorfeld hatte es kontrovers geführte Debatten um den Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies gegeben. Im Aufsichtsratsgremium hatte Dr. Andreas Horn dem Vorsitzenden Tönnies ein Gespräch angeboten, nachdem dieser dazu aufgefordert hatte, ihm eine „goldene Brücke“ zu bauen – und ihm einen geordneten Rückzug zu ermöglichen. Tönnies wertete dies als Affront, auf der Mitgliederversammlung schlug er seine Hand aus und er ließ ein Ehrenratsverfahren gegen Horn einleiten.
Weitere Details dazu siehe hier.
Der Ehrenrat ermittelte sodann gegen Dr. Horn und suspendierte ihn Ende Februar für zwölf Monate. Dr. Horn klagte gegen seine Suspendierung und gestern fand dazu die Gerichtsverhandlung am Landgericht Essen statt. Aufgedeckt wurden dabei verschiedene Verfahrensfehler des Ehrenrats.
„Ein Großaufgebot der Polizei sowie der Verzicht auf Provokationen sollen dabei helfen, die als Hochrisikospiel eingestufte Partie reibungslos über die Bühne zu bringen.“ So schreibt Reviersport über das anstehende Spiel gegen Saloniki.
Und das heißt: Schuld an den Ausschreitungen sollen wieder einmal die Fans sein. Doch das bleibt – es gibt keinen Wahrheitsbeweis durch ständiges Wiederholen – in der Sache falsch. Wie selbst die Polizei zugeben musste, ist das Zeigen einer mazedonischen Ex-Flagge keine Straftat. Dennoch räumt sie nicht ein, die 87 Verletzten und die Eskalation vor drei Jahren selbst verursacht zu haben. Sondern schiebt sie mit solchen Formulierungen die Schuld den Opfern in die Schuhe. Wäre dem damaligen Einsatzleiter die deutsche Rechtslage bewusst gewesen, wäre nichts passiert.
Und es ist auch dem unverhältnismäßigen Vorgehen der Polizei vor drei Jahren zuzuschreiben, dass ein Fußballspiel nun aufgeladen und überlagert ist mit einem seit Jahren schwelenden Streit zwischen Griechenland und einem Staat, der nicht Mazedonien heißen darf, weil Griechenland das nicht will. Damals hing eine Fahne eine ganze Halbzeit, ohne dass Medien oder Gästefans sie zur Kenntnis genommen hätten. Vermutlich wäre das auch genau so geblieben. Gerade aber durch den Polizeieinsatz wurde ein Fußballspiel überhaupt erst zu einem Forum, bei dem eine Fahne, ein Banner oder anderes eine Aufmerksamkeit „genießt“, die anders wohl nie zustande gekommen wäre.
Nein, schuld sind hier nicht die Fans.
“Wir alle, auch die Polizei Gelsenkirchen, wollen die Bilder von 2013 nicht wieder sehen.” So sprach Polizeipräsidentin Anne Heselhaus-Schröer über das vergangene und zukünftige Saloniki-Spiel. Doch Fehler räumt die Polizei bis heute nicht ein.
“Fest steht, dass die umstrittene Fahne keinen Straftatbestand erfüllt. Dies müssen alle zur Kenntnis nehmen und berücksichtigen.” So twitterte die Polizei Gelsenkirchen von der Pressekonferenz. Das lässt hoffen, man habe dazugelernt.
Doch eine Entschuldigung für die 87 Verletzten, von der ist nichts zu lesen oder zu hören. Ganz im Gegenteil: “Der gemeinsame Appell von Verein und Polizei an alle Fans lautet daher, sich friedlich zu verhalten, die eigene Mannschaft lautstark und emotional zu unterstützen, sich dabei nicht provozieren zu lassen und auch selbst nicht zu provozieren sowie sich von Gewalt und Gewalttätern zu distanzieren.” Also sind doch die Fans schuld, die – siehe oben – doch eigentlich gar nichts falsch gemacht haben.
Und noch eines oben drauf: “Eins muss klar sein, wir werden keine rechtsfreien Räume dulden …” – welche denn? Es gab doch keine strafbare Handlung? “… und gegen Strafttäter konsequent einschreiten.” Nur dann nicht, wenn die Straftäter aus den eigenen Reihen stammen. Alle Verfahren gegen Polizisten wurden kurzerhand und rasch eingestellt.
Wir haben auch einen Appell – an die Polizei: Geben Sie endlich zu, dass es – im Rückblick – eine falsche Entscheidung gewesen ist, wegen eines Stücks nicht rechtswidrigen roten Stoffs einen Block zu stürmen und mit “Multifunktionsstöcken” und Pfefferspray unterschiedslos auf Kinder und Jugendliche loszugehen. Ach ja, wie sagen Sie selbst? “Gewalt gegen Frauen, Kinder und Familien ist nicht tolerierbar.” Zugegeben, in einem anderen Zusammenhang, aber in der gleichen Pressekonferenz.
Entschuldigen Sie sich drei Jahre nach einem menschlichem Fehler mit tragischen Folgen bei den Opfern dieses Einsatzes, denn auch wir sind Ihrer Meinung: “Gewalt hat im Stadion nichts zu suchen.” Auch nicht durch die Polizei.
Das Schalker Heimspiel gegen Paok wurde, wie heute bekannt gegeben wurde, um einen Tag vorverlegt und auch noch auf 18 Uhr terminiert. Das nährt naturgemäß im Netz Verschwörungstheorien.
Das gehe auf die Polizei zurück, so wird vermutet. Man wolle so verhindern, dass Griechen anreisen – die ihre Reise vermutlich schon gebucht haben dürften. Verein und UEFA haben da mitgespielt – mussten sie ja, wenn man bedenkt, wie schwer es sonst ist, ein Spiel verlegen zu lassen. Die UEFA hat sich bisher gegen so etwas immer gesperrt.
Natürlich ist es nicht verwerflich – ganz im Gegenteil -, dass Polizei und Verein sich Gedanken machen, wie sie die Zuschauer schützen sollen. Da darf auch eine Spielverlegung nicht tabu sein. Doch warum erst jetzt? Die Weiberfastnacht gibt es schon seit 1824 und findet immer am Donnerstag vor Aschermittwoch statt. Anders gesagt: Der Termin ist seit fast 200 Jahren bekannt und sollte eigentlich niemanden überraschen.
Doch warum auch noch 18 Uhr? Ein ungewohnter Zeitpunkt in einer Fußballwelt, wo die Fußballverbände und die Fernsehsender eigens Personal abstellen, dass ja zur gleichen Sekunde angepfiffen wird – so lange er nicht von Außen Grünes Licht bekommen hat, darf ein Schiedsrichter gar nicht anpfeifen. Die Uhrzeit wurde nicht erklärt.
Hinzu kommt: Die Verletzungen, die die Fans in der zu schützenden Kurve erlitten, wurden nicht durch die griechischen Fans verursacht, sondern von den drei Kohorten, die mit grenzwertiger Schlagkraft in die Nordkurve stürmten. Dass die Anhänger aus Paok die Nordkurve hätten stürmen wollen, gehört in das Reich der Mythen, wie sich herausgestellt hat, egal, wie es in dem Moment dem Einsatzleiter dargestellt hat. Ein weiterer Grund, sich über die Kurzfristigkeit der Maßnahme zu wundern.
Zwei Dinge zeigt dieses schwach bis gar nicht erklärte Vorgehen aber deutlich: Zum einen, dass es von Seiten der Polizei immer noch keine Fehlerkultur gibt oder gar das Vermögen, ihren Fehler auch nach drei Jahren einzugestehen. Zum anderen, dass der Verein entgegen aller Beteuerungen weiterhin willig alles tut, was die Polizei verlangt – egal, ob es gut begründet und sinnvoll ist oder nicht.