…dann biste in der Retorte in Hoffenheim. Aber schön der Reihe nach: Bei allerallerbestem Herbst-Fußball-Wetter machte sich wieder einmal die blauweiße Karawane auf Richtung Süden. Busse und schalbehängte Autos wälzten sich frohgemut durch die Dauerbaustellen auf der A 3, bis im Krauchgau Onkel Dietmars in die Landschaft geplumpstes Spielzeug also known as Rhein-Neckar-Arena auftauchte.

Die Parkplätze sind autobahn- und stadionnah – und kosten lockerflockig 5 Euro, anscheinend geht Onkel Dietmar das Geld aus. Die Einlasskontrollen am Gästeblock sind hyperpingelig, so werden u. a. Caprisonnen, E-Zigaretten und größere Schlüsselanhänger zur Wiederabholung nach Spielende konfisziert.

Der Stadion-Innenraum ist ganz okay, auch wenn die Fahnen der umliegenden Städte und Gemeinden unter dem Stadiondach mehr bunte Internationalität vortäuschen sollen als dieses Dorf jemals haben wird. Und „ein Leben lang“ über der „Fankurve“ ist auch geklaut. Von uns, wenn Ihr es genau wissen wollt.

Dann kommt der Fan-Offenbarungseid: Das Vereins- oder „Fanlied“ muss auf den Anzeigetafeln eingeblendet werden und trotzdem bekommt kaum ein SAPler die Zähne auseinander… Wobei, wenn ich es mir recht überlege, ein Vereinslied, das es nötig hat zu betonen, dass und „Neiderei und Lästerei am Arsch vorbeigehen“ und „das kleine Dorf am Wald ganz schnell weltbekannt sei“, wäre mir auch zu peinlich zum Mitsingen. Bei ein „Ein Leben lang im Niemandsland, nur Hoffi’s Ruf erschallt“ (mit Deppenapostroph!!!) fiel mir spontan ein „ich höre Stimmen und sie mögen Euch nicht!“

Anschließend steigt das Niveau deutlich, als die Hoffenheimer Fankurve eine Solidaritätschoreo mit dem schwer verunglückten Boris Vukcevic präsentiert. Auch an dieser Stelle weiterhin gute Genesung an den Spieler!

Danach wiederholt sich das Spielchen mit dem Badner Lied – und *hüstel*: Wie viele Elche treiben sich eigentlich so in den Wäldern um Hoffenheim rum? Oder habt Ihr diese „Tradition“ zur Abwechslung mal bei Ikea entliehen? Geschmack kann man auch mit SAP-Kohle satt nicht kaufen. Das Netz vor den Heimfans verschwindet übrigens just zum Anpfiff in einer Art Einkaufstasche unter dem Dach, während die Gästeblöcke auch weiter kleinkariert gucken müssen.

Nach dem Anpfiff legen wir supportmäßig los wie die Feuerwehr „und wir treiben die Mannschaft nach vorn…!“ und können bereits nach knapp 3 Minuten über das von Youngster Max Meyer grandios vorbereitete 0:1 durch Boateng jubeln. Matip legt nach 13 Minuten zum 0:2 nach und der folgende Anschlusstreffer durch Modeste bleibt der einzige Schnarchanfall unserer Abwehr in der ansonsten klasse ersten Halbzeit. Nach dem 1:3 nach einem tollen Sololauf von Höger gehen wir högschdt zufrieden zum Pausentee. Apropos Tee: Gibt’s in der Rhein-Neckar-Arena generell nur bleifreies Bier oder war dies ein besonderer „Service“ für die gefährlichen Gäste…?

Auffällig ist, dass auf den Anzeigetafeln nicht nur in der Pause, sondern auch während des kompletten Spiels „Sponsoreninformationen“ und allerlei Tinnef läuft, so dass die Alt-Yuppies auf den zahlreichen VIP-Sitzen was zu gucken haben. Auch via*ogo ist in Hoffenheim noch salonfähig und wird eifrig beworben. Pecunia non olet…?

So gut wie die erste Halbzeit aus unserer Sicht war, so mau ist leider die Zweite: Nach dem frühen Anschlusstreffer zum 2:3 durch einen leider berechtigten Foulelfmeter gerät unsere Elf wieder einmal auf nahezu unerklärliche Weise ins Schwimmen. Was ist das nur, dass uns regelmäßig nur eine gute Halbzeit erlaubt? Mangelndes Selbstvertrauen? Mangelnde Kondition? Warum geben wir Spiele, in denen wir komplett überlegen sind, noch aus der Hand?

Trotz unserer Anfeuerungen fällt nach einer Stunde das nicht unverdiente 3:3, weil unsere Mauer nicht hoch genug springt oder unserem Keeper einige Zentimeter fehlen. Und das war nicht das einzige Mal, dass es im Strafraum lichterloh brannte; es gab noch dicke Chancen auf beiden Seiten. Immerhin sind wir klarer Lautstärke-Punktsieger vor den paar „Hoffema Jungs“, die sich vergeblich bemühen, mehr als drei Handvoll Fans zum Mitziehen aufzufordern.

Insgesamt geht das 3:3 sicher in Ordnung, auch wenn es damit auch im sechsten Anlauf nix mit einem Dreier in Hoppelheim war. Ein unzweifelhaft ausgesprochen unterhaltsamer Fußballnachmittag, aber die Abwehr macht mir massive Sorgen. Ich fürchte, Basel wird solche Geschenke aufgrund individueller Klöpse besser verwerten… Ein Lichtblick für eine bessere Zukunft könnte Max Meyer sein, der hoffentlich auch nach der Genesung von Jule Draxler Einsatzzeiten bekommen wird. Was der Junge am Ball kann, ist grandios.

Die Abfahrt vom Parkplatz fluppt verdächtig gut, was daran liegen könnte, dass ALLE Wagen von P 10 in einer langen Karawane auf die Autobahn geleitet werden – und zwar Richtung Heilbronn, wo die ca. 80 % Schalker auf diesem Parkplatz nicht hinwollen. Bisschen Verschnitt hat man immer…

Nach der Pirouette an der nächsten Ausfahrt kommt wieder das Auswärtsfahrt-Paradoxon: Die Rückfahrt dauert gefühlt immer um den Faktor x mal so lange wie die Hinfahrt, wo man sich noch wie Bolle aufs Spiel freut (X kann dabei wie heute die Anzahl der Gegentore sein, andere beliebte Multiplikatoren sind die Zahl der durchweichten Kleidungsstücke oder der Anmachen durch Heimfans).  Nach insgesamt 11 Stunden und knapp 700 km sind wir wieder zuhause und schnaufen durch – und ich weiß genau, dass ich mich Dienstag wieder ebenso hoffnungsfroh auf den Trip nach Basel machen werde.

Blau-weiße Grüße

Susanne Blondundblau

Hinweis
Aufgrund der positiven Resonanz noch einmal der Hinweis, dass jeder Schalker die Möglichkeit hat Texte an folgende E-Mail Adresse zu senden: info@schalkermarkt.de