„Salzburg auswärts“ – sicherlich nicht das Highlight meiner internationalen Schalke-Karriere. Da kann die Stadt noch so schön sein, die Jungs von der Austria sich noch so tapfer gegen den modernen Fußball wehren, so steht trotzdem über alldem dieses Krebsgeschwür eines Konstruktes, fest eingenistet in den Wirren des Paragraphendschungels der Verbände. Erschaffen aus einem Topf voll Geld, sich bewegend in den Ligen Europas, aber trotzdem von Anfang an eine seelenlose Totgeburt. Gewöhnen werden wir uns hoffentlich nie da dran. Dennoch mahnt das Beispiel Hoffenheim, dass irgendwann doch eine gewisse negative Gewohnheit eintritt, wenn es zum zehnten Mal aufs Dorf geht. Nun ja, nun fällt mir beim Schreiben auf, dass ich bisher ausschließlich auf diesen kack „Verein“ eingehe. Wie immer bei solchen Themen, ist es ein schmaler Grad zwischen „aufmerksam machen“ und „zu viel Aufmerksamkeit geben“. Da dies aber in erster Linie ein Spielbericht sein soll, höre ich damit mal auf. Die Dampfdrucksättigung hat bereits begonnen und wir wollen ja schließlich nicht, dass etwas platzt.
Bei aller Aufregung nach dem Los hat, wie oben angesprochen, diese Stadt ja doch viel zu bieten. In den Bergen gelegen, mittelalterlich erhalten und voller leckerem Essen in den vielen kleinen Gassen. Da ich nicht im wunderschönen Gelsenkirchen wohne, sondern ein paar hundert Kilometer weiter nördlich, war die Entscheidung auf dem Knallsuff im Sonderzug (nicht alle wollten in Salzburg sitzend Tee trinken) zu verzichten und dafür mit der Perle zwei Nächte in Salzburg zu verbringen, nicht schwer. ICE-Fahren ist auch nicht mehr so teuer und so gleiteten wir elegant durch die Bundesrepublik, bis sich schließlich die weißen Türen öffneten und zwei Schalker auf den Bahnsteig plumpsten. Jeder, der im Laufe der Tage den Hauptbahnhof und sein Umfeld kennenlernen musste, wird wissen, was wir in diesem Moment gefühlt haben: „Das soll Salzburg sein?“ In meinem romantischen aber kleinen Hirn malte ich mir doch Salzburg als eine (Zeit)reise in das Märchenwunderland aus und nun das? Genauso hässlich wie jedes Bahnhofumfeld und zu allem Überfluss begrüßte uns vor dem Eingang gleich eine Wanne der deutschen(!) Bundespolizei. Steuerverschwendung allez.
Aber gut, nicht aufregen. Irgendwo muss ja schließlich diese Altstadt sein, von der alle reden. Zwei Abbiegungen und reichlich Fußmarsch später, tauchte dann die erste Brücke auf, die uns über die kleine Salzach bringen sollte. Das war der Anblick, den wir sehen wollten. Ein prachtvolles Städtchen, dezent beleuchtet und zwei Burgen, die erhaben über alledem thronen. Die Hotelpreise sind zu dieser Jahreszeit nicht gerade günstig. Kein Wunder, wenn alle zwei Minuten ein Reisebus anhält und wahlweise Rentner oder Asiaten ausspuckt. Neben diesem standardisierten Salzburgpublikum sollten also an diesen Tagen bis zu 10.000 Schalker die Einwohnerzahl von 150.000 noch etwas hoch schrauben. Und was für Berichte kursierten in den Wochen zuvor durchs Internet. Alter Falter, war das bescheuert. Bis heute wissen die Salzburger (der Dortmund Fan der am Fenster provozierte wohl ausgenommen) wahrscheinlich nicht, wovor sie Angst hatten. Bei unserem Weg durch die Stadt herrschte jedenfalls eine entspannte und glühweinseelige Atmosphäre. Die patrouillierende Hundertschaft weiß wohl bis heute nicht, was sie da eigentlich machten. Uns zog es jedenfalls zu unserer Wohnung über einem Wirtshaus nähe des Domes. Auch diese war teurer als bei den sonstigen Reisen, aber immerhin noch schön zentral und konnte mit einem sympathischen Privatvermieter überzeugen. Sachen also kurz abgelegt und aufs Wesentliche konzentriert – dem Essen. Meiner Meinung ist das regionale Essen an fremden Orten einer der wichtigsten Maßstäbe für mein Wohlbefinden. Aus diesem Grund versuche ich auch gerne Restaurants zu finden, die zwar gute regionale Küche bieten, aber dennoch etwas ab von den typischen Tourismusspots sind. Dieser etwas arrogante und pseudocoole Satz „Ich will da essen, wo es auch die Einheimischen machen“ soll dabei auch mir schon über die Lippen gekommen sein. Egal, suchen mussten wir dieses mal jedenfalls nicht, schließlich wohnen wir ja über einem Wirtshaus. Also kurz die Karte gecheckt, für gut befunden und zack rein da. Damit sich das hier nicht zu einem (Achtung, schon wieder dieses Wort) pseudocoolen Foodblog entwickelt, erspare ich euch den Rest und schreibe nur, dass es echt lecker war und komme direkt zum Alkohol. Auch dieser sollte natürlich verköstigt werden. Erstaunlicherweise ist dieses in Salzburg gar nicht so einfach. Die Läden schließen zum großen Teil schon um 23 Uhr und so wird das Unterfangen „Internationaler Suff“ zu einer kniffligen Aufgabe. Auf den vollen Irish Pub hatten wir keinen Bock und so landeten wir letztendlich in einer 16 qm großen Bar. In diesem von einem älteren Pärchen betriebenen Schuppen war ordentlich was los und der Pegel der anderen Gäste relativ hoch. Witzig war, dass vor allem der Mann des Pärchens offensichtlich sein eigener bester Kunde ist. Und so lief und lief er durch die Reihen, hier ein Wein, da ein Schnapps. „Ein Schluck Bier?“ „Klar!“. Sehr lustig zu beobachten. Und da dies anscheinend zum Konzept der Bar gehört, war er dementsprechend trinkfest. Seine Gäste allerdings weniger. Sich wackelnd am Tresen festhaltend, stand dann da ein armer Tropf und versuchte irgendwie sein Portmonee in der Hand zu halten. Als dann die Disziplinen „Portmonee-auch-noch-öffnen“ und „Geld-raus-holen“ hinzu kamen, entwickelte sich das Schauspiel zu einem wahren Klassiker. Irgendwann war aber auch das geschafft und unser Stiegl leer getrunken. Der erste Tag in Salzburg war geschafft.
Der zweite begann etwas entspannter: erst mal ausschlafen, frühstücken und Stadt angucken. Und so lief man am Geburtshaus Mozarts vorbei, besuchte den Dom, beehrte den Weihnachtsmarkt und landete schließlich bei fabelhaften Wetter und einer noch besseren Sicht auf der Burg. Nach dem man noch mal das Wirtshaus besucht hatte, erreichte einen dort schon die Nachricht der Sonderzugfahrer, dass der Treffpunkt dank der Bullen an den Fluss verlegt werden musste. Also dann halt da hin und festgestellt, dass es anscheinend die meisten mitbekommen hatten. So erstrahlte die gesamte Straße im wunderschönen Königsblau. Großartig, wie viele Schalker sich an dem Regenjackenmotto gegen die beiden Deadbull Clubs beteiligt haben. Unter der Untermalung von vielen Fackeln und Blinkern zog der lange Tross also Richtung Stadion. Ebenfalls lobend ist zu erwähnen, dass im Gegensatz zum Spiel in Prag auf die nervigen Böller verzichtet wurde und nur unsere Gesänge durch die Straßen Salzburg hallten. An einer Ecke kam es dann zu dem bereits weiter oben angesprochenen Vorfall mit dem Dortmund-Fan, der fröhlich mit seinem Schal aus dem Fenster winkte und alles dafür tat, die Schalker unten zu provozieren. Ich denke man muss nicht drüber reden, dass die Reaktion von einigen völlig bescheuert war und Meilen über das Ziel hinaus schoss. Dennoch frage ich mich jedes mal, was diese Leute dazu bringt, sich so kacke zu verhalten. Das ist schließlich nicht das erste Mal, dass irgendwelche Spinner, die vermeidlich sichere Entfernung aus dem Obergeschoss dazu nutzen, einmal in ihrem Leben auf harten Typen zu machen. Das soll in keinster weise die nachfolgende Reaktion befürworten, nur packe ich mir da auch echt an Kopp.
Am Stadion angekommen wartete das nächste Chaos. Bei der Masse an Schalkern reichte natürlich nicht der normale Gästeblock aus und somit hatten alle verschiedene Karten und jeder Block hatte zusätzlich einen eigenen minikleinen Eingang. Wenn dann tausende Schalker auf einmal eintreffen und niemand das weiß, kann man sich ja denken, was passiert. Die Hälfte stand locker an den falschen Eingängen und so ging es hin und her. Ich für meinen Teil musste mir erst mal eine Oberrang Karte ertauschen, um dann oben über den Zaun in den richtigen Block zu meinen Freunden zu klettern. Dass dabei die Hose riss, war dann auch nicht so schlimm. Denn kalt konnte einem bei diesem Spiel nicht werden. Immer wieder sorgten besorgte Schalker dafür, dass ich nicht unterkühlte und machten ein Feuerchen an. Die meisten werden wohl das Video auf der Ultras-GE Homepage gesehen haben. Für mich gibt es kaum einen schöneren Anblick, als ein von Fackeln erleuchteter Block. Dabei wurde nicht nur am Anfang gezündet, sondern immer wieder zu „fast immer“ passenden Situationen. So muss das sein. Wer im Nachhinein Skandalmeldungen in der Österreichischen Presse aller „Jahrhundertrandale beim Dosen stechen“ erwartete, wurde enttäuscht. Im Gegensatz zur Reviersport gingen diese ganz normal damit um und akzeptierten es weitestgehend als Teil des Fußball, nur der Vorfall auf dem Hinweg fand den Weg in die Schlagzeilen. Ein Österreicher, in Form des Stadionsprechers, hat allerdings wohl heute noch ein kleines Köttelchen in der Buchse, wenn er an das Spiel und dem Pyro denkt.
Der Support war in der ersten Halbzeit durchaus stark. Zu Beginn noch hinter der großen „Gegründet von Kumpeln und Malochern“-Zaunfahne wurden die Schalker Lieder hinaus gebrüllt und versucht, die Mannschaft nach vorne zu treiben. Wie ihr alle wisst, hat es für die mit jungen Spielern gespickte Mannschaft nicht zum Sieg gereicht. Vielleicht lag es auch an unserer in der zweiten Halbzeit schwachen Leistung auf den Rängen. Vielleicht war es aber auch nur einfach zum größten Teil schlecht vom Team. Jedenfalls hielt die Mannschaft, wie auch schon in Leipzig, nach dem Spiel die oben angesprochene Zaunfahne in klein vor dem Block hoch. Wieder eine starke Geeste. Schade nur in meinen Augen, dass bis auf Kehrer und Avdijaj der Rest der Mannschaft die Fahne einfach auf den Boden fallen ließ und weg ging. Das wirkte zumindest aus dem Bock heraus etwas respektlos. Aber schieben wir das mal auf die kalten Temperaturen und dem damit zusammenhängenden Drang ins Warme zu kommen. Für uns hieß es, wieder zurück in die Stadt und ab in die Bar von dem trinkfesten Pärchen. Der Wirt war hier wieder in seinem Element und faselte die ganze Zeit was von einem „Umsteuergruppenwähler“. Allem Anschein nach schien sein Internet nicht zu funktionieren. Der Weinsuff macht ja auch nur halb so viel Spaß, wenn man seine Jazz-Playlist bei Spotify nicht laden kann. Sei es drum, wir waren jedenfalls wieder begeistert. An diesem Abend sollten wir den Laden dann auch abschließen und so verbrachten wir auch die letzten Stunden in Salzburg in netter Atmosphäre. Man kann fest halten, dass International selbst bei diesem Konstrukt Spaß macht.