Nach den Ereignissen vom Derby waren sie schnell wieder alle da, die populistischen Forderungen nach untauglichen Maßnahmen. Nichts davon wird bei Licht betrachtet helfen.
Die meisten Strafen lassen sich unter „Kollektivstrafen“ zusammenfassen: Geisterspiele, Nacktscanner, Nacktzelte, keine Auswärtskarten, überteuerte Eintrittskarten. Und bei allen gilt: Sie treffen in der Mehrheit die Unschuldigen. Das ist mit einer rechtstaatlichen Auffassung, dass der zu bestrafen ist, der Mist gebaut hat, nicht zu vereinbaren. Rechtens ist es, weil es unter dem Deckmantel der „Prävention“ läuft, dem Gerechtigkeitsempfinden läuft es entgegen. Das sieht sogar NRW-Polizeiminister Ralf Jäger so.
Verräterisch ist in diesem Zusammenhang übrigens Erich Rettinghaus, NRW-Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Er „erneuerte die Gewerkschaftsforderung nach härteren Strafen für Gewalttäter. Wer nur ins Stadion gehe, um dort Krawall zu machen, müsse für mehrere Jahre mit Stadionverbot rechnen, sagte er.“ Rechtlich ist ein Stadionverbot allerdings keine Strafe, sondern eine Präventivmaßnahme. Anders wäre es auch nicht zu rechtfertigen, dass sie bei einem bloßen Verdacht ausgesprochen werden kann. Da hat sich jetzt aber einer verplappert.
„Privilegien der Ultras einschränken“: Welche Privilegien hier auch immer die zahlreichen Autoren meinen mögen, kann – Betonung liegt auf „kann“ – es die richtigen Treffen, aber Ultragruppierung ist nicht gleich Ultragruppierung. Das müsste zielgenau erfolgen. Im Zweifelsfalle schweißt es aber eine Gruppe – vor allem, wenn sie keinen Mist gebaut hat – nur noch mehr zusammen. So eine Aktion muss zielgenau und mit Augenmaß erfolgen. Leider gibt es auch hier traurige Gegenbeispiele.
Doch das Kind darf man nicht mit dem Bade ausschütten: Wer Repressionen vornimmt, weil eine uns allen bekannte Ultragruppierung „Sitzer absetzen“ fordert – ein Hoch der Meinungsfreiheit in Deutschland -, der schafft sich kein Verständnis, sondern radikalisiert im Zweifelsfalle diejenigen, die nichts verbotenes getan haben. Auf die Derbychaoten trifft das nicht zu, das sei noch einmal betont.
„Eintrittskarten nur noch für 100 Euro und mehr“: Der Tod der Stimmung, wie das Beispiel Großbritannien zeigt. Der Fußball auf der Insel lebt indes von seinen teuren Spielern, bezahlt von irgendwelchen Scheichs. Solche Spieler können wir uns nicht leisten. So kann der deutsche Fußball nicht attraktiv sein. Was aber selbst die ehrwürdige BBC lobt, ist in Deutschland „the atmosphere“. Die Aktion „12:12“ hat gezeigt, dass niemand solche Spiele sehen will – auch nicht Geldgeber „Sky“, wie die Kommentatoren betonten. Es brächte den deutschen Fußball um seine Anziehungskraft. Und versaut damit den Marktwert.
Und es hilft nichts. In England hat sich die Randale in die unteren Ligen verlagert. Hier finden wesentlich mehr Spiele statt – wie die Polizei die alle im Blick haben soll, ist mir schleierhaft.
Davon ab: Wenn ich weiß, dass ich ohnehin nach meiner Aktion im Stadion drei Jahre keines von innen sehen werde, dann habe ich effektiv Geld gespart, wenn ich mir nur ein Ticket für 100 Euro mit „ein bisschen Spaß“ kaufe. Wirkungslos.
„Geisterspiele“: Dann ist tatsächlich einmal Ruhe. Ansonsten bleiben die anderen Spiele und die unteren Ligen. Reine Symbolik, die eben auch den Charakter einer Kollektivstrafe hat. Oder soll das die „Normalos“ gegen die Randalierer aufbringen? Die sind aufgebracht genug. Ich möchte die aber sehen, die dann in den Block stürmen, um das zu unterbinden, wenn selbst die Polizei sich tatenlos gegen den Gästeblock stellt.
„Nacktzelte“: Diese dürfen, wie gesagt, nur unter strengsten verfassungsrechtlichen Auflagen erfolgen. Eine „Gießkannenkontrolle“ ist rechtswidrig, trifft wieder einmal viele Unschuldige und wird früher oder später vor dem Verfassungsgericht landen, das es im Zweifelsfalle kassieren wird. Es sei noch einmal das Oberverwaltungsgericht Saarbrücken zititert: „Nach Ansicht des Senats stellt der Besuch eines Fußballspiels für einen hieran interessierten Bürger ein legitimes Verhalten dar, das nicht generell von seiner Bereitschaft abhängig gemacht werden darf, einen schwerwiegenden Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht hinzunehmen, wenn die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche Maßnahme im Übrigen nicht erfüllt sind.“
Übrigens muss man dann auch Ordner, Reinigungspersonal, Vorstände, Aufsichtsräte, Sicherheitsbeauftrage und alle anderen so scannen. Natürlich auch die DFB-Elite, die zu Besuch ist, denn die können alle etwas hineinbringen. Mancherorts gibt es ja deutliche Verquickungen zwischen Vorstand, Ordnern und Gewalttätern.
Übrigens: Solche Kontrollen darf nur die Polizei durchführen. Dass ihre prominenten Gewerkschaftsdemagogen das fordern, widerspricht dem Lamentieren über „zu viele Einsatzstunden“.
„Nacktscanner“: Hier greifen noch mehr Verfassungsvorbehalte. Es geht keinen Ordner etwas an, ob ich eine Prothese habe oder nicht – und das würde sichtbar. Auch die Polizei hat das prinzipiell nicht zu wissen.
„Personalisierte Karten“: Kann man machen, ein Hoch der Datensammelwut. Und was genau soll das dann bringen? Die Fressen lassen sich doch eh per Videoüberwachung sammeln – oder eben nicht. Wie muss ich mir das vorstellen: Die Polizei, die tatenlos neben dem Gästeblock stand, greift zum Fernglas und guckt, ob es die Eintrittskarte in der Hosentasche lesen kann? Wenn sie aber reingeht, um die Karte zu lesen, hat sie effektivere Methoden, Personalien aufzunehmen.
„Drakonische Strafen“: Die treffen im Zweifel wenigstens die Täter. Glücklicherweise ist eine politische Justiz in Deutschland verboten. Gerichte haben sich an das Strafmaß zu halten. Das fällt in die Kategorie „fordern kann man viel, es muss ja keinen Sinn haben“. Und wenn man das Strafmaß erhöhen will: Kann der Gesetzgeber tun. Abgeschreckt haben Strafen noch keinen. Die drohen nämlich jetzt schon.
„Aus dem Verkehr ziehen“: Das klingt wie das oben, ist nur noch inhaltsleerer.
Das funktioniert also alles nicht. Die Hände in den Schoß legen aber auch nicht, wie gewisse Vereine bewiesen haben, die rechte Untriebe sogar unter ihren Ordnern zulassen. Was etwas hilft – und rechtsstaatlich ist -, ist, gezielt vorzugehen: gezielt gegen die Täter, sehr gezielt, und nicht gegen „Gruppen“, seien es nur Ultras oder alle Fans. Und bitte mit Verstand. Wörtlich sagte ein Polizist neulich zu einem Fan: „Wir haben nichts gegen Sie in der Hand, nehmen aber dennoch Ihre Personalien auf.“ Na danke. Und im Zweifel erst einmal ein Stadionverbot verhängen, bis die Ermittlungen eingestellt sind. Und die Daten erst auf Verlangen löschen. Da bekommt selbst der friedfertigste Fan Lust, was anzuzünden. Nicht jeder macht es dann. Aber vielleicht einige.
Und ansonsten hilft es vermutlich auch, den Dialog nicht mit Streitigkeiten um einen Doppelhalter oder einen übereilt platzierten Aufkleber zu versauen. Alles schon passiert. Eine Fahne, die den i-Punkt einer Werbebande überdeckte, hat schon zum Abbruch der Beziehungen geführt. Da muss man sich dann über nichts mehr wundern.