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Mittlerweile sind seit dem Heimspiel des FC Schalke 04 gegen PAOK Saloniki mehr als drei Monate ins Land gezogen. Die meisten Anwesenden werden immer noch die mitunter erschreckenden Bilder vor Augen haben, als die Polizei auf eine derart aggressive Art und Weise in die unsere Kurve stürmte, wie sie bis dato wohl noch keiner in der Nordkurve erlebt haben dürfte. Wochenlang zogen sich die medialen Diskussionen hin, politische Possespielchen wurden betrieben und auch unser eigener Verein offenbarte auf der Zielgeraden leider größeres Talent im Ausflüchte finden, anstatt Standpunktstärke zu zeigen. Doch wir wollen hier nicht auf die undurchsichtigen Verpflechtungen zwischen diversen staatlichen Institutionen und unserem Verein eingehen, sondern wollen uns mit zwei Fans beschäftigen, die bereitwillig sind, das Erlebte an diesem Tag mit etwas zeitlichem Abstand noch einmal in einem Interview Revue passieren zulassen und uns auf diese Art einen persönlichen Einblick in die Zeit während und nach dem gravierenden Polizeieinsatz geben möchten.


Schalker Markt:
Wie eingangs geschildert, läuft manch einem Schalker noch immer ein kalter Schauer den Rücken herunter, wenn er die Bilder von dem Polizeieinsatz in der Nordkurve beim Heimspiel gegen PAOK Saloniki sieht. Wie geht es euch dabei?

Sarah: Wenn ich an den Einsatz denke, dann geht’s mir echt nicht gut. Es kommen immer wieder die Bilder, des Einsatzes hoch und ich stell mit dann immer wieder die gleichen Fragen, wie zum Beispiel, warum es soweit kommen musste und warum man nicht einfach die angeblich so aggressiven Gästefans in Zaum halten konnte.

Tobias: Wenn ich diese Bilder sehe, bin ich immer wieder aufs Neue erschrocken, da man immer wieder neue Sachen auf den Bildern oder Videos erkennt und sieht. Ich habe vor Kurzem Aufnahmen der Polizei gesehen, welche mich bis jetzt am meisten getroffen haben. Die Videos, die ich sehen durfte, waren vom Spielfeldrand gefilmt und somit eine ganz neue Perspektive für mich. Darauf ist die Gewalt der Polizisten so stark zu erkennen, wie bis jetzt auf keinen anderen Aufnahmen.

Schalker Markt:
Wo habt ihr euch an diesem Tag in der Nordkurve befunden? Habt ihr etwas von der seitens der Polizei beschriebenen aggressiven Stimmung mitbekommen?

Sarah: Ich habe mich vor und während des Einsatzes unten auf der Treppe, zwischen Block N4 und N5 befunden. Ich habe nichts von der beschriebenen aggressiven Stimmung bei den Fans mitbekommen. Das einzige, was ich mitbekommen habe, war eine ausgelassene und gute Stimmung bei den Fans, die alles gegeben haben, um die Mannschaft zu unterstützen. Eine aggressive Stimmung habe ich lediglich dann von den Polizisten verspürt, als sie in den Block kamen!
Tobias: Ich stand im Block N4 in einer der ersten Reihen, vielleicht 3-4 Meter von der Treppe entfernt, über welche die Polizeikräfte den Block betraten. Somit habe ich sofort die aggressive Stimmung mitbekommen, die durch die Polizei, dein Freund und Helfer, und nicht durch die Fans ausgestrahlt wurde. Relativ schnell verschlechterte sich auch die Luft durch die Mengen Reizgas, die verspürt wurden, was viele Leute, besonders Jüngere, in Panik versetzte. Von der Polizei wurde zunehmend mit noch mehr Gewalt gekontert. Schnell wurden auch die Fluchtwege von weiteren Beamten abgeriegelt, so dass diese Leute den Block nicht verlassen konnten. Genauso erging es verletzten Personen. So blieb als Zuflucht nur die Mitte des Blocks, wo sich keine Polizisten befanden und durch den Zusammenhalt der Nordkurve auch keine Polizisten im Laufe des Abends eindrangen, obwohl die Polizisten das mehrmals aggressiv versuchten.

Schalker Markt:
Ihr schildert gerade das aggressive Auftreten der Einsatzkräfte. Seid ihr auch selbst verletzt worden?

Sarah: Da die Polizisten keine Rücksicht genommen haben, ob ältere Menschen, Frauen oder gar Kinder vor ihnen stehen, wurde auch ich verletzt. Ich habe, ohne mich zu Wehr zu setzten, direkt Pfefferspray ins Gesicht und auf den Oberkörper bekommen. Weil ich dann nicht direkt Platz machen konnte, da ich ja nichts mehr gesehen habe, habe ich noch mit’m Schlagstock n Schlag auf die Schulter bekommen.

Tobias: Ja. Da einem Polizist alle Mittel Recht waren um an mir vorbei zu kommen, wurde ich mehrmals in den Nacken geschlagen und es wurde versucht mich zu Boden zu bringen, was aber zum Glück nicht gelang. Erst durch einen gezielten Strahl Pfefferspray ins Gesicht musste ich auch in die Mitte des Blockes flüchten.

Schalker Markt:
Hat das Erlebte für euch weitergehende Folgen? Geht ihr überhaupt wieder ins Stadion?

Sarah: Der Einsatz hat Enormes mit sich gezogen. Ich gehe zwar wieder ins Stadion, allerdings kann ich in keinen einzigen Block gehen, sobald viele Personen aufeinander treffen, bekomme ich Panik. Das bezieht sich leider nicht nur auf die Menschen im Stadion, sondern auch zum Beispiel auf volle Züge, oder Ähnliches. Sobald ich Blick auf die Nordkurve und Ort des Geschehens habe, kommen alle Bilder wieder hoch und muss dann auch schleunigst aus dem Stadion.

Tobias: Ja, ich musste abends nach dem Einsatz ins Krankenhaus zur ärztlichen Behandlung, da ich Verbrennungen 1.Grades im Gesicht und am Arm sowie eine Kapselverletzung am Finger hatte.
Außerdem hatte ich starke Nackenschmerzen durch die Schläge des Polizisten.
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Schalker Markt:
Hat sich der Verein bei euch gemeldet, oder erfahrt ihr durch ihn Unterstützung?

Sarah: Kurz nach dem Einsatz haben sich Leute vom Verein gemeldet, um sich zu informieren, wie es mir geht. Heute, hat sich niemand mehr vom Verein gemeldet, also auch keine Unterstützung.

Tobias: Leider hat sich vom Verein niemand gemeldet! Auch vom Schalker Fanclub Verband, der „Fanvertretung“, leider niemand. Eher im Gegenteil – was man hinter her in der Presse über den Einsatz lesen durfte machte mich sehr traurig. Erst klang es so, als würde der Verein den Polizeieinsatz verurteilen. Aber dann kam es ja zu der Kehrtwende. Besonders enttäuscht war ich von Herrn Peter Peters, der sich für die Kritik bei Innenminister Ralf Jäger entschuldigt hat. So jemand führt einen Fußballverein? Aber das ist ein anderes Thema.

Schalker Markt:
Wie geht es euch, wenn ihr mittlerweile ein massives Polizeiaufgebot seht, oder sich behelmte Einsatzkräfte in eurer unmittelbaren Umgebung befinden?

Sarah: Ich halte es nicht mehr aus, in nächste Nähe bei behelmten Einsatzkräften zu stehen, sobald ich welche sehe, bekomme ich Wut und Angst zugleich!

Tobias: So komisch das jetzt vielleicht klingt: Ich fühle mich sehr unsicher und ich hoffe immer, dass der Einsatzleiter ein Mensch mit Herz ist und nicht so ein Unmensch, wie Herr Klaus Sitzer! Schon bei einer normalen Polizeistreife bekomme ich Angst, auch wenn diese nur am Straßenrand stehen und Fotos von Autos machen. Sicher, vor willkürlichen Maßnahmen geschützt zu sein, bin ich nicht mehr.

Schalker Markt:
In Print- und Onlinemedien gab es viele Fotos und auch deutliche bewegte Bilder. Auch wurde vom Verwaltungsgericht in Essen mittlerweile bestätigt, dass es sich bei dem eigentlichen Grund des Blocksturms die mazedonische Fahne beteffend, um eine Fehlinterpretation der Polizei handelte und es somit keinen rechtlichen Anlass zum Eingreifen der Polizei gab. Habt ihr seitdem irgendetwas unternommen und wenn ja, wie ist der allgemeine Stand?

Sarah: Es wurde Anzeige gegen die Polizei gestellt, das Verfahren läuft zur Zeit.
Tobias: Ich hab direkt an dem Abend auf der Polizeiwache Anzeige erstattet, wobei da auch schon versuchte mich einzuschüchtern. So wurde versucht mir Alkoholkonsum unterstellt, obwohl ich absolut nüchtern war. Des Weiteren wurde mein Vertrauter, der mir bei der Anzeige Beistand leisten sollte, aus der Wache geworfen. So musste ich die Anzeige alleine aufgeben und mich den Unterstellungen des Beamten erwehren. Direkt am nächsten Morgen informierte ich meinen Rechtsanwalt, welcher sich nun der Sache annahm. Vor drei Wochen war ich zur Sichtung der Videoaufnahmen eingeladen. Bei diesem Termin wurde versucht, durch geschickte Frage meine vorher schriftlich angefertigte Aussage zur widerlegen. Nach den Sichtungen der Videoaufnahmen wurde versucht, mir kriminelle Energien gegen die Polizisten zu unterstellen. Was aber mit Hilfe meines Anwaltes relativ schnell unterbunden werden konnte. Obwohl der vernehmende Polizist, der zufällig auch in der Polizeidirektion GE beschäftigt ist, nicht auf meiner Seite war, musste er der ermittelnden Oberstaatsanwältin mitteilen, dass ich von dem Polizisten grundlos brutal geschlagen wurde. So besteht nunmehr dringender Tatverdacht gegen den Polizisten. Sobald dieser namentlich ermittelt werden kann, was wohl mit den Videoaufnahmen sehr einfach seien wird, werden gegen ihn strafrechtliche Schritte eingeleitet.

Schalker Markt:
In den Spieltagen unmittelbar nach dem Polizeieinsatz machten Fans durch Plakataktionen, Flugblättern und sogar einer großen Demonstration auf das Geschehene aufmerksam. Wie steht ihr dazu?

Sarah: Ich fand die Demo ne Super Sache, weil man auch einfach mal andere Fans die Augen öffnen konnte und so auch viele die Meinung zu dem Polizeieinsatz geändert haben. Haben zum Beispiel manche Leute den Einsatz sogar als gerechtfertigt gesehen, da man die Fahne ja hätte weg hängen können, haben sie nach der Demo eine andere Meinung gehabt und haben verstanden weshalb und wieso der Einsatz nicht gerechtfertigt war.

Tobias: Ich selbst finde diese Aktionen sehr gut! Besonders die Demonstration hat einem Kraft gegeben. Es tat sehr gut zu wissen, dass noch viele andere Schalker genau so denken wie man selbst, egal ob Ultras, Supporters oder einfach nur ganz normale Fans.

Schalker Markt:
Wenn ihr heute in die Zukunft blickt, was erhofft ihr euch in dieser Angelegenheit?
Tobias: Wenn ich so in die Zukunft schaue, würde ich mir wünschen, dass so etwas nie wieder in der Nordkurve und auch in anderen Kurven passiert. Wichtig wäre mir auch noch, dass bei der Polizei, besonders hier in Nordrhein-Westfalen, ein Umdenken stattfindet. Fußballfans sind keine Verbrecher und brauchen daher auch nicht mit übertriebener Härte behandelt werden.

Hinweis
Aufgrund der positiven Resonanz noch einmal der Hinweis, dass jeder Schalker die Möglichkeit hat Texte an folgende E-Mail Adresse zu senden: info@schalkermarkt.de